Im Stühlinger Park

Der Ort für unsere Außenaktion war der Stühlinger-Park – ein bewusst gewählter Platz im öffentlichen Raum, der einen gemischten Ruf hat. Was manchen dort suspekt ist, macht für andere seinen Reiz aus: Dort finden sich Menschen von sehr unterschiedlicher sozialer Couleur aus sehr unterschiedlichen Beweggründen ein und treffen dann auch manchmal aufeinander.
Bei klirrenden Außentemperaturen und bestens eingepackt gingen wir ans Werk – nicht ohne uns im Café noch einmal gut vorbesprochen und aufgewärmt zu haben.
Als Zeitpunkt für unsere Aktion haben wir uns den gut besuchten Wochenmarkt-Tag im Stadtteil Stühlinger ausgesucht, um ein gemischtes Publikum anzutreffen. Für die Aktion wählten wir bewusst die Rushhour des Marktes.

Wir erwarteten einen freundlichen, möglicherweise auch emotionsgeladenen und offenen Dialog mit Passanten und Marktbesuchern.
Dafür stellten wir einen kleinen Tisch und Infostand auf. Daneben stand eine Notfallbox, die mit virtuellen Wünschen bestückt werden konnte. Wohl wegen der Kälte kam diese leider nicht zum Zug. Zwei unserer Mitschüler machten sich mit selbstgebauten Bauchläden im Park auf die Pirsch. Die waren reichlich bestückt mit Flyern und Infomaterial rund um das Thema Zivilcourage. Und wir schlugen allen Interessierten vor, unseren Fragebogen zu bearbeiten. Durch ansatzweises Vor-Spielen von Gewalt-Situationen versuchten wir, dass Thema plastischer und zugänglicher zu machen, gleichzeitig förderte dies die Bereitschaft, darüber zu sprechen.

Obwohl wegen der Kälte nicht übermäßig viele Menschen „am Flanieren“ waren, wurden wir von der Bereitschaft vieler Angesprochener überrascht, sich zum Thema Zivilcourage zu äußern. Schnell durften wir spannende und sehr persönliche Erfahrungsberichte von Passanten anhören und unsere verschiedenen -oder ähnlichen – Meinungen austauschen. Oftmals mischten sich politische und regionale Themen in die Gespräche. Vereinzelt trafen wir auf Menschen, die selbst Opfer teilweise brutaler Übergriffe waren. Ihre Erfahrungsberichte, aber auch dem Umgang „danach“ in Gesellschaft und Freundes- und Familienkreis waren sehr beeindruckend und zum Teil auch bedrückend. Es wurde dadurch schnell klar: Es kann jeden treffen! Und es wurde uns auch klar, dass deshalb auch (fast) jeder Mensch von dem Thema berührt, beunruhigt, oder daran interessiert ist.

In den Gesprächen über Geschehnisse im Stühlinger-Park (also vor Ort) kamen diese Themen vor: Bürgergespräch über Brennpunkte im Stadt- und Bundesgebiet, empfundene No-Go-Areas, Auswirkungen der Flüchtlingswelle, Zivilcourage in den Medien und wie hat man darüber in Freundeskreis und Familie darüber gesprochen? Ein Mann erzählte von einem erlittenen Raubüberfall, eine Lehrerin von einer schwierigen Situation im Kollegium, eine Frau von erlittener Ohnmacht bei Übergriffen, ein früherer Bundeswehrangehöriger von seiner Zeit als Zugbegleiter für heimfahrende, angetrunkene Rekruten. Es wurde deutlich, dass alle diese Erfahrungen die Betroffenen zu einer tieferen Reflexion gebracht hatte, dass sie unterschiedliche Dinge für sich daraus erkannt hatten. Dazu gehören neben dem Mut zum klugen Einschreiten auch die Wichtigkeit eines schützenden und stützenden Umfeldes, die Fähigkeit, Menschen zu beobachten, ernst zu nehmen, und klug und besonnen auf sie eingehen zu können. Es wird deutlich, dass eine Auseinandersetzung und Reifung zum Thema gehört, dass es nicht immer eine einfache Lösung gibt, dass aber durch schwierige Erfahrungen auch Lernprozesse angestoßen werden.

Die mitgebrachten Informationsmaterialien fanden Interesse. Auf unserem Flyer haben wir Kurztipps und weiterführende Internetseiten zusammengestellt (siehe Dokumentation). Alle geben Aufklärung oder Informationen zu Anlauf- und Beratungsstellen. Der Fragebogen nützte vor allem, um Gespräche in Gang zu bringen, zeigt aber auch die Unterschiede in den Denk- und Reaktionsweisen der Einzelnen.

Insgesamt ruft diese Aktion nach Wiederholung, bei wärmerem Wetter und neu aufgestellt, noch ergänzt durch T-Shirts, die wir gerade dafür drucken lassen. Es ergeben sich einfach sehr viele interessante Gespräche und ein menschlicher Austausch, der allen großen Spaß gemacht hat!

Mit dabei: Bille, Kades, Ralf, Frederic, Christopher, Milan
Bericht von Frederic, Ralf, Christopher, Milan