Dienstag morgen, siebter Februar. Gerade haben Sybille und ich den kleinen Tisch mit Bauchladen darauf im Foyer des Wentzinger-Gymnasiums abgestellt, und versuchen uns zu orientieren, wo wir vielleicht hin müssten, da fällt uns auf, dass schon eine Interessentin auf das Infomaterial im Bauchladen guckt. Eine? Jetzt sind’s zwei, dann drei, plötzlich sehen wir den Bauchladen nicht mehr. Ein Schwarm Schüler – soviel spontanes Interesse an Zivilcourage! Dann lichtet sich das Bild wieder, und wir kapieren: Die Kugelschreiber sind alle weg. Bald stehen wir mit Regina Rothmund in ihrer Klasse, eine Neunte zusammengewürfelt aus mehreren Neunten, die sie in Ethik unterrichtet.
Kurzes Vorbereiten, Beamer an, Namensschilder für alle Schüler, dann dürfen wir anfangen. „Hallo, wir sind Bille und Milan, wir freuen uns… wir sind Schüler wie ihr und wir haben ein Projekt gestartet. Es geht um Zivilcourage… wir spielen uns die Bälle zu, bis ich unversehens einen Alleingang unternehme und wir schon bei dem kleinen Legofilm sind. Das verunsichert meine Kollegin leider, aber es ist zu spät. So einfach der Film ist, so eindrucksvoll kommt er doch an. Das kann ich auf den Gesichtern sehen, die Bösen, alles klar, hier dräut was, jetzt geht’s zur Sache. Einer beobachtet. Was geht in ihm vor?
Jetzt möchten wir wissen, was die einzelnen von sich selbst berichten möchten, ob sie ähnliche Erlebnisse aus eigener Erfahrung kennen. Hier kommt der eindeutige Peak, auf den Wissenschaftler im Labor hoffnungsvoll warten: Kein Mensch hat schon so etwas erlebt, bis auf einen, der aber ausführlich und in allen Details. S. erzählt eindrucksvoll, wie er von einer größeren Gruppe zweifach diskret bedroht wurde, einige Dinge oder Geld rauszugeben, und wie ihm ein Älterer half, die Gang in ihren Schranken zu halten. Er selbst kam bei seiner Geschichte auch nicht schlecht weg: Aufrecht, tapfer. In Folge will S. solche Situationen gar nicht erst wieder riskieren, und trainiert außerdem Kampfsport. Es ergibt sich ein wenig Diskussion, da aber niemand noch mehr persönliches erzählt (?), beginnen wir mit den mitgebrachten Fragebögen. Erst selber lesen, dann Kleingruppengespräch, dann Berichten was die Gruppen so denken. Im Tenor sind alle auf diese Weise dabei: Beistehen, mutig sein, ja, aber sich selbst schützen, Hilfe holen.
An dieser Stelle ergreift die Lehrerin das Wort: In schwierigen Situationen spricht auch die Hirnchemie mit, beziehungsweise alte Strukturen, und deshalb ist es gut, sich mit dem Thema bewusst auseinanderzusetzen. Das bereitet uns vor, lässt uns in Situationen bewusster aufmerken und handeln. Und sie frägt ihre Klasse nach deren Meinung, stupst sie an, wie findet ihr das? Da kommt erste zaghafte Rückmeldung: „Das finden wir schon cool, das fände ich auch gut, wenn wir so was machen…!“ „Wollt ihr – weil Ich mache es nicht, ich würde euch dabei begleiten?“ „Ja, wollen wir!“ Da schnaufe ich innerlich durch. Das war ja eines unserer heimlichen Ziele, dass unser Projekt Junge bekommt, und wir freuen uns zu dritt, Regina, Bille und ich.
Wir haben immer noch etwas Zeit, und das lässt uns den Film jetzt ganz bis zu Ende anschauen, die Szene, in der sich Opfer und Zeuge aus der Abblendung heraus beglückwünschen und sichtbar die Zeit genießen. Wir fragen, was in der Abblende wohl geschehen sein könnte, und einige schreiben einen Miniaufsatz auf die Rückseite des Fragebogens. Einmal rettet ein Einhorn, aber sonst sind durchaus dramaturgisch gut empfundene Lösungen dabei. (Siehe Dokumentation)
Wir weisen noch kurz auf unseren Bauchladen und unseren Notfallkasten hin, dann rauschen auch schon alle an uns vorbei…
Dabei: Bille und Milan
Bericht von Milan



